Vor zehn Jahren nach Berlin – Die Entscheidung

Irgendwann im Juli vor zehn Jahren bin ich nach Berlin umgezogen. Daher gibt es eine Hamburgfreie Woche mit jeder Menge „Kinder war das alles schön damals“.

Ich wohnte mit Freundin in einer kleinen Bruchbude in Herborn und war als Energieelektroniker Fachrichtung Betriebstechnik im Stahlwerk tätig.

update: Es gibt jetzt eine kleine Fotogalerie aus dem Stahlwerk. (klick mich)

Ein Knochenjob war das, jeden Tag auf Hallenkränen rumklettern, dicke Schütze wechseln, 1000-Ampere-Sicherungen in hohen Stückzahlen zerballern, diese Gleichstrom-Thyristor-Stromrichter Regelungen bearbeiten, Motoren irgendwo hinwuchten, SPS programmieren, Lichtschranken tauschen und das alles in direkter Nähe zu 1400 Grad heißem Stahl, Kokillen oder etwas kühleren Bandstahl und Coils.

Besonders schön war es wenn mal wieder ein Brückenkran direkt über einem solchen glühenden 200 Tonnen Teil stehen blieb und wir in unfassbarer Hitze irgendwas reparieren mussten. Im 100 Grad heißen Wind stehen. Es war so heiß, dass uns der Schweiß nicht nur an der Stirn perlte, sondern am Kinn richtig hinabfloss, ein steter Strom Körpersaft, der aber auf dem Weg nach unten ca. zwei Meter über dem glühenden Stahl verdampfte. Nach zehn Minuten Arbeiten in der Hitze mussten wir aufs Dach und im Winter bei -20 Grad froren die komplett nassen Klamotten sofort ein. Das war ein Spaß, Abenteuerurlaub für Erwachsene.

Da habe ich Arbeiten gelernt und einen sehr entspannten Umgang zum Energiesparen bekommen, verständlich angesichts eines Hochofens der an einer Hochspannungsleitung direkt aus Biblis hängt und kaum vorstellbare Mengen an Energie frisst. Auch war es spannend zu sehen das Großteile des täglichen Lebens im Prinzip nur auf Stahl und Energie beruhen, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich hatte die Ausbildung vorgezogen und bekam einen unbefristeten Vertrag vorgelegt. Zum Entsetzen sämtlicher Vorgesetzten (davon gab es eine Menge) bestand ich aber auf einen Jahresvertrag. Ich wollte damit den Zivildienst herauszögern. Mit Zeitverträgen bis max. ein Jahr klappt das ja.

Im Juni 96 lief dieser Zeitvertrag aus und eine Zivistelle musste her. Zuvor, im Frühjahr, es muss wohl meine Geburtstagsfeier gewesen sein, war Besuch aus Berlin da. Beim bekifften Schnack stellte sich heraus das H. einen Nachmieter für seine Wohnung in Friedrichshain suchte.

Aha, das war die Chance endlich den Absprung zu schaffen. Ohne großen Aufwand umziehen. Die Wohnung war schon da, Friedrichshain klang auch ganz spannend und da ich dann prima eine Zivildienststelle in Berlin suchen konnte war es also zu später Stunde ausgemachte Sache das ich Nachmieter werde und nach Berlin gehe.

Dabei war ich zuvor noch nie in Berlin, freute mich aber wie ein kleines Kind auf dieses ominöse Friedrichshain.

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1 Gedanke zu „Vor zehn Jahren nach Berlin – Die Entscheidung“

  1. Schreiben wir das ganze mal aus kleinste-Schwester-Perspektive: Auf einmal war Sven weg. In Berlin! Hä? Umzug? Wann? Wie? Wo? Keine Wohnung mehr in Herborn, wo man zwischen dem Einkaufen mal aufs Klo gehen kann?

    An mir rauschte das alles irgendwie vorbei :-(
    Dafür war ich gestern bei Robbie :-) Das Konzert war der Haaaaammer! 1000 Punkte für Hamburg, das diese Woche ins Exil geschickt wurde…
    Liebe Grüße
    Eva

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