Neulich schrieb ich über den HVV. Siehe Exkurs: HVV und ÖPNV. Dazu passend stolpere ich heute über zahlreiche Artikel bei der S-Bahn Berlin. Und wisst ihr was?
Foto: The S-Bahn – Berlin X von Danferb (Migrando a 500px… =) ) with Some rights reserved
Die Kollegen beim VBB sind noch viel lustiger als die beim HVV. Schreiben sie doch tatsächlich und Ernst gemeint in ihren Ergebnissen der Qualitätsbilanz 2010:
Im vergangenen Jahr waren die Leistungen im Nahverkehr im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg insgesamt wieder auf einem hohen Qualitätsniveau. Die S-Bahn Berlin GmbH blieb allerdings auch im Jahr 2010 von diesen Qualitätsstandards weit entfernt. Erneut erbrachte das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG nicht die verkehrsvertraglich vereinbarte Leistung. Im Regionalverkehr hat sich die Pünktlichkeit verschlechtert.
S-Bahn kaputt und Regionalverkehr schlechter? Was bleibt denn da bitte noch über, das besser sein könnte? Ich kapiers nicht. Ist auch egal, zur Zeit klappt S-Bahn bashen sehr gut.
Die S-Bahn Berlin hat weiterhin nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Neulich gab es Hertha gegen Real Madrid. In Berlin. Ein Fußballspiel. Selbst der letzte Depp weiß, dass es zu so einem Knallerspiel sehr voll wird. Es wird nicht nur voll, es wird richtig voll. Und was macht die S-Bahn? Verkackt mal wieder auf ganzer Strecke(!).
Dann stellt er den Motor (und die Lüftung) aus. Wir warten, die Innentemperatur ist tropisch, und noch immer drängen die Fußballfans nach. Nun fallen Worte wie „Duisburg“ und „Loveparade“, eine Mutter mit Kleinkind wird halb ohnmächtig nach draußen ins Freie (?) bugsiert.
Quelle: Tagesspiegel.de – An einem ganz normalen Tag in Berlin
Offenbar plant die S-Bahn aber auch weiterhin keine Sonderzüge zu Konzerten und anderen Großveranstaltungen ein. … Die S-Bahn hat nicht mal genug Wagen für den Normalbetrieb, wo sollen da jetzt bitte plötzlich noch Sonderzüge herkommen? Das Problem war lange absehbar und wird sich erst lösen, wenn der Fuhrpark wieder erweitert wird, also nicht vor 2017.
Quelle: tagesspiegel.de – Wie lässt sich das S-Bahn-Chaos bei Großveranstaltungen vermeiden?
Technisch möglich wäre ein Abstand von 90 Sekunden, was die S-Bahn bereits zu den Olympischen Spielen 1936 geschafft hatte. Damals hatte sie aber auch genügend Fahrzeuge.
Quelle: S-Bahn kriegt die Krise bei Großveranstaltungen
Es ist ein Drama. Da wir die S-Bahn heruntergewirtschaft auf ein Niveau schlechter als 1936 und es passiert weiterhin nichts. Wirklich erstaunlich, von aussen betrachtet.
Frage an die Experten. Wenn ich mir die Kommentare durchlese und dem Thema hinterher google steht tatsächlich hier und da und dort, dass die S-Bahn erst in FÜNF Jahren wieder genügen Wagen hat. Stimmt das? Das kann doch nicht sein, oder? Hat Berlin tatsächlich in den nächsten FÜNF Jahren nicht genügen S-Bahnen? Ich kann das gar nicht glauben …
via Jörg Kantels Schockwellengereite auf facebook, bzw. dem Tagesspiegel.
Dass die S-Bahn Berlin erst wieder in 5 Jahren über eine ausreichende Wagenzahl (zzgl. anständiger Reserve) verfügt ist nicht unwahrscheinlich. Ein Ersatz durch andere Zugtypen ist – wie auch in Hamburg – aufgrund der sehr speziellen technischen Rahmenbedingungen schlicht ausgeschlossen.
Man kann da leider nur spekulieren. Das eine ist die Neubeschaffung von Fahrzeugen, das dauert einige Jährchen, ehe so eine Serie geplant und gebaut ist (inklusive Prototypen). Da gab es aber auch schon Artikel im Tagesspiegel, nach denen die Ausschreibung mehr oder weniger in diesem Jahr passieren muß, damit 2017 neue Wagen eingesetzt werden können.
Das andere ist der Austausch der Räder bei den bestehenden Bahnen. Hier glaube ich das Märchen nicht, daß die Industrie nach über einem Jahr nicht in der Lage sei, geeignete Radscheiben in der benötigten Anzahl herzustellen, kostet es zur Not halt mal etwas mehr. Und wenn doch, dann soll keiner behaupten, die Wirtschaft im DDR-Sozialismus war starr und unflexibel.
Das Schlimme an der Sache ist aber eher, dass keiner so richtig den Hut dafür offen hat. Zur Debatte steht unter anderem die sofortige Kündigung des Verkehrsvertrags mit der Deutschen Bahn (mit allen Konsequenzen), doch das scheint derzeit keine Mehrheit im Senat zu finden. Eine andere Debatte ist, ob der S-Bahn-Betrieb nach 2017 ausgeschrieben werden soll. Da besteht das Risiko, daß die Deutsche Bahn als einzeiger Anbieter übrig bleibt – zumindest wenn die Züge nicht in die kommunale Hand übergehen. Das Kaufen der (neuen) Flotte ist für den angeschlagenen Haushalt der Stadt auch so eine Sache. Und wenn Berlin das tat, könnte die Stadt die S-Bahn gleich selber betreiben (so wie die BVG).
Für die Deutsche Bahn besteht dadurch Planungsunsicherheit, wie es nach 2017 weiter gehen soll. Von sich hat die Bahn keinen Anreiz, wieder glänzen zu wollen. Und daher hält die Bahn sich mit Investitionen zurück und bezahlt lieber den Malus.
Und hofft auf gutes Wetter.