Bratwurst-Geschichten aus dem echten Leben

Neulich habe ich zufällig von einer „Nutzung von digitalen Dingenskirchen in Haushalten“ Umfrage des Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein – Statistikamt Nord gelesen (ja, ich lese alle deren Berichte …). In einem Anfall von „jawoll, da mache ich mit“ habe ich mir den Fragebogen schicken lassen und zum ersten Mal eine dieser Umfragen ausgefüllt.

Wisst ihr was? Ich musste sehr viel an Bratwurst-Vergleiche denken (re:publica geprägter Begriff bzgl. der 30 Millionen Menschen, die nicht online sind). Einige der Fragen lassen mich zweifeln.

Haben sie schon einmal einen Computer genutzt
Foto: Haben sie schon einmal einen Computer genutzt

Das erdet ungemein. Ich gehe davon aus, dass es Menschen gibt, auf die diese Fragen zutreffen. Leute, die noch NIE einen Computer genutzt haben. Leute, die vor mehr als EINEM JAHR zuletzt online waren (und das unglaublicherweise auch noch wissen).

Erstaunlich, oder? Völlig, wirklich v.ö.l.l.i.g. unvorstellbar für alle Menschen die ich kenne. Ausser meiner Oma, aber die ist 85 Jahre alt. Obwohl ihr neuer Fernseher sicherlich mehr Rechenleistung hat als die erste Mondfähre. Aber anyway.

Tätigkeit am Computer
Foto: Tätigkeit am Computer

Die nächste Frage erdet mich dann bis unter die Grasnarbe. Das sind die ganz großen und schwierigen Themen da draussen. Bei euren Eltern, Bekannten, Kollegen. Ich hoffe, ihr wisst das.

Allein die erste Frage. DATEI und DATEIORDNER. Wenn ihr wüsstet, wie viele Menschen den Unterschied zwischen Datei und Ordner nicht verstehen.

Oder das beliebte Problem des „wo ist das Foto/Dokument jetzt“ nachdem die SD-Karte aus der Kamera den Weg in den Computer gefunden hat und dann noch das Foto auf facebook hochladen. Oder ein E-Mail Anhang herunter geladen wurde und wieder verschickt werden soll. 90% der Menschen in meinem Umfeld verstehen das nicht mit den Dateien/Ordnern nicht. Egal ob privates oder berufliches Umfeld. Berufliches Umfeld ist eher noch schwieriger. Ordner und Dateien versteht niemand.
Wenn ihr jetzt lacht oder das albern findet versteht ihr etwas elementar falsch und genau davon hat Lobo auf der re:publica erzählt.

Oder der nächste Punkt. Copy & Paste. Der Running-Gag zwischen mir und meinem Vater. Ich erkläre ihm das ungelogen seit 15 Jahren. Jedesmal wieder. Rechte Maustaste, Kopieren, Einfügen. Es ist kompliziert, für uns beide, seit Jahren.

Der Witz daran ist aber, dass die Leute mit oben genannten Schwierigkeiten alle der Meinung sind, dass sie einigermaßen „gut“ mit dem Computer umgehen können und vor allem DEN GANZEN TAG AM RECHNER ARBEITEN. Ich bin jedesmal fasziniert. Zutiefst.

Aber es geht noch weiter. Ich hatte wirklich Spaß mit der Umfrage, es gab noch ähnliche Fragen, die ich hier weglasse. Viel Datenschutzkram, muss man nicht lesen.

Spannend aber das da:

das (mobile) Internet genutzt?
Foto: das (mobile) Internet genutzt?

Da geht es um mobile Nutzung. Smartphones und Tablets. Auch hier wundere ich mich, dass man das Internet auf dem Handy weniger als einmal im Monat nutzen kann. Was mit dem Congstar Netz besser funktioniert als mit dem O2 Netz. Was technisch eigentlich gar nicht möglich ist, die Dinger sind doch ständig online. Oder verstehe ich das falsch?

Ich hoffe, die werten meinen Fragebogen auch aus.
Als alter Internetpeople bringe ich mich gerne in die Statistik ein.

Wie holen wir die Leute ab, die den Unterschied zwischen Datei und Ordner nicht verstehen?

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7 Gedanken zu „Bratwurst-Geschichten aus dem echten Leben“

  1. Das müssen wir bald nicht mehr, wenn alles automatisch in der Cloud gespeichert wird und es kein Dateisystem mehr für den 08/15 Anwender mehr geben wird. Diese Richtung zeichnet sich bei Apple ja schon mehr als deutlich ab, und das macht mir Interneturgestein auch wirklich Angst.

  2. Bei allem berechtigten Pessimismus, werte Frau Kiki, ich finde Svens Frage so tief wahr und sie macht mich immer wieder so verzweifeln: Wie holen wir die Leute ab?
    Mein Problem ist immer wieder, ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ich krame mein ganzes altes studiertes Sonderpädagogenwissen heraus, ich versuche mir vorzustellen, wie tief geerdet ich sein müsste, aber es geht nicht. Und dann blogge ich doch wieder Kram, der viel zu abgehoben ist und bilde mir ein, ich sammelte gerade Gedanken für mein Buch.

  3. Manchmal frage ich mich, nur halb im Scherz, ob wir den Rest wirklich abholen müssen? Ich meine, wenn sie doch so offensichtlich nicht wollen, warum müssen wir sie zu ihrem Glück zwingen? Jeder, der wirklich will, findet reichhaltige Hilfsangebote inzwischen. Manchmal frage ich mich, ob man den Rest nicht halt einfach darwinieren lassen soll.
    Und dann fahre ich zu meiner Mutter und zeige ihr zum drölften Mal, wie man ein Foto aus einer Mail in iPhoto importiert und anschliessend ausdruckt und was sie machen muss, wenn das Druckersymbol im Dock hüpft (hint: Macbook erschrocken zuklappen und warten, bis ich wieder vorbeikomme ist NICHT die beste Lösung.)

  4. Ein wunderbarer Beitrag. Spiegelt er doch wieder, was ich täglich im Benutzersupport an der Uni erlebt habe. Es gibt sogar INFORMATIK-Studenten, die den Unterschied zwischen kopieren und verschieben nicht ganz raffen. Wenigstens meine Eltern werden jetzt langsam für das Internet und das Computergedöns empfänglich.

  5. Großartikelartig. Spricht mir aus der Seele. Ich frage mich allerdings viel eher, über was die Leute früher mit ihrer Mutter geredet haben, wenn sie zu Besuch waren. Ordner und Datei kann sie inzwischen auseinanderhalten; an Windows und Word arbeiten wir noch.

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